Die Wiedererrichtung des Imperiums


Der letzte Fürst von Racoton vor dem Fall der Stadt war Valgamir gewesen. Seine Kinder waren Vondura und Virbal. Von seherischen Träumen geleitet floh Valgamir mit seinem Sohn, der damals noch im Säuglingsalter war, aus der brennenden Stadt nach Norden. Bis nach Argolan ritt er, und hier übergab er einem Paar verarmter Bauern seinen Sohn und bat sie, für ihn zu sorgen; damit es ihnen an nichts fehlte, schenkte er ihnen mehr Gold als sie je zu Gesicht bekommen hatten. Dann setzte Valgamir, noch immer getrieben von seinen Visionen, seinen Weg nach Norden fort. Die Nûk empfingen ihn und schenkten ihm den Rovaldogun, den Zahn des Drachen, ein Bruchstück aus einem Eckzahn Alcryphs. Daß es ihm Schutz böte, versicherten sie ihm. Valgamir hielt das Amulett für einen Aberglauben und verkannte den Wert dieses Geschenks, doch er bewahrte ihn auf und brachte ihn zusammen mit den Kaiserlichen Insignien und dem Schwert Xûdu Elvan nach Upitrane, wo er fortan im Exil lebte.

Virbal wuchs derweil in jenem argolanischen Dorf auf, ohne eine Ahnung zu haben, daß er ein Abkömmling eines Herrscherhauses war. Er wurde in die Kaste der Schweinejäger aufgenommen, und jeder hielt ihn für einen Bauernjungen. Virbal hatte das Alter von neunzehn Jahren erreicht, als das Schicksal seinen Lauf nahm. Eine hohe Abordnung von Reisenden war in das Dorf gekommen: König Narmen der Zehnte (ein Nachfahre des berühmteren Narmen), sein Sohn Hyndor und sein Ritter Dagonos. Sie waren auf dem Weg nach Westen, um die Schutzvorrichtungen gegen die Gvulps zu inspizieren. In jener Nacht, als die hohen Herren im Dorf weilten, überfielen Gvulps den Weiler und brannten ihn nieder. Narmen verlor das Leben; Dagonos wurde von seinem Herrn getrennt; und mehr oder weniger durch einen Zufall rettete Virbal dem Prinzen Hyndor das Leben. Sie flohen aus dem Dorf, und Tage später stieß Dagonos zu ihnen, so daß sie nun zu dritt waren. Zwar hielten Hyndor und Dagonos ihren Begleiter für einen einfachen Bauern, doch Hyndor fühlte sich ihm gegenüber verpflichtet und lehrte ihn vieles: die Kunst des Schwertkampfs, das Wissen über die Geschichte des Westens und die Hochsprache der Nûk.

Die drei Heimatlosen kamen durch das Land der Nûk, wo sich ihnen Cumne anschloß, ein junger Nûk, der Virbals liebster Gefährte und Freund wurde. Sie kamen schließlich nach Ayra und erhielten Einlaß. Der wahnsinnige König Kharan ließ sich überreden, ein Schiff zu stellen, mit dem sie nach Vaiha gebracht werden sollten. Ihr Plan war es, die Alben zu suchen, um sie um Hilfe für den in Trümmern liegenden Westen zu bitten. Kharan gab ihnen seine Tochter mit, das war Khiruma, in die sich bald sowohl Hyndor als auch Virbal verliebten.

Zeitgleich war Valgamir in seinem upitranischen Exil wieder von Visionen geplagt worden. Er überredete Shuzo, den jungen König von Upitrane, ihn auf einem Schiff zu begleiten, um gleichfalls die Alben zu suchen. Die Insignien und das Kaiserliche Schwert nahm er mit sich, doch ohne Wissen war er, daß sein eigener Sohn ebenfalls auf dem Weg nach Osten war.

Fern im Osten trafen die beiden Gruppen aufeinander, und Valgamir erkannte, daß Virbal sein verlorener Sohn sein mußte. Die größere Gruppe erreichte nach vielen Mühen und Kämpfen, in denen Prinz Hyndor das Leben verlor, schließlich Bandar, die Stadt der Alben, wo Devi ihnen eröffnete, daß die Sterblichen nunmehr reif sein, selbst einen Imperator zu stellen, und daß Virbal der Auserwählte sei. Zwei Armeen schlossen sich ihnen an: ein horgianisches Heer und eine Armee des Wüstenvolks der Kekar, und so durchritten sie die große Wüste Arbi'yah, erreichten die westlichen Häfen und setzten auf iudonadischen Seglern nach Nurban über. Hier stieß ein weiteres Heer zu ihnen: die Muroces, die nun erstmals ihr Geheimes Reich verlassen hatten, da es nun an der Zeit gewesen sei, dem zurückgekehrten Kaiser beizustehen. Die Heere trafen vor Dragonia auf ein Heer der Sumroger, verstärkt durch Millionen und Abermillionen von Gvulps. Hier erfuhren die Armeen Virbals eine Niederlage, doch auf ihrem Rückzug enthüllte Virbal, daß er im Besitz des Rovaldoguns war, des Drachenzahns. Cumne, der die Bedeutung dieses Gegenstands kannte, rief mit seiner Hilfe einen Drachen herbei. So erschien Balyph am Himmel, der letzte der Herrscherdrachen, und setzte die abscheulichen Heere der Gvulps in Flammen, bis sie vollends vernichtet waren. Der gewaltige Drache ließ sich nun nieder und verlieh Virbal als erstem Sterblichen einen Namen in der Sprache der Drachen: Cordyph. Wie Cevid Jahrtausende vor Virbal mit dem Drachen Usticyph ein Bündnis schloß, so begann auch Virbals Herrschaft mit so einem Bund.

Dragonia wurde wieder aufgebaut und die Länder befriedet. Khiruma ehelichte Virbal und wurde zur Kaiserin des Westens. Alle Reiche des Westens, ausgenommen Sumroge und Ayra, schlossen sich dem wieder errichteten Imperium an. So kam es, daß mit den Erben Amins erstmals sterbliche Menschen auf dem Thron Dragonias saßen.




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